Es steht außer Zweifel, dass in Hockenheim schon seit Jahrhunderten musiziert wurde, wie es allenthalben in der Pfalz geschah. Man hat dies zur eigenen Unterhaltung, bei Festen aller Art getan und selbstverständlich auch zum Tanz aufgespielt. Hierüber fehlen leider jederlei Aufzeichnungen. Der erste Zusammenschluss von Musikern zu einer Kapelle erfolgte im Jahre 1863. Auch hierzu fehlen die schriftlichen Aufzeichnungen. Sie waren aber vorhanden und wurden leider das Opfer eines Bombenangriffs in Bruchsal. Der Besitzer dieser Unterlagen, Kapellmeister Philipp Rausch, hatte aber den Inhalt dieser Akten seinen Angehörigen übermittelt, so dass authentische Nachrichten erhalten geblieben sind. Nach dieser Überlieferung trafen sich zur oben angegebenen Zeit Hockenheimer Musikfreunde in der silbernen Kanne (dem heutigen Hotel "Kanne") zu vorbereitenden Besprechungen. Nach eingehenden Beratungen konnte 1864 die erste Hockenheimer Blaskapelle gebildet werden. Ihr gehörten an: Georg Schenk, Josef Schütz, Josef Heim, Bernhard Schneider, Johann Adam Seßler, Bernhard Schütz und Martin Auer. Sie bestand bis in die 70er Jahre. Bei Gründung der Hockenheimer Feuerwehr im Jahre 1869, schlossen sich bereits die Musiker der Feuerwehr an. Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 beschloß die damals aufstrebende Hockenheimer Feuerwehr eine eigene Kapelle, "die Feuerwehrkapelle", ins Leben zu rufen. Es waren vor allem die Musiker der bestehenden Kapelle, die man ansprach. Von diesen Verhandlungen sind die Unterlagen noch vorhanden. Aus diesen Protokollen ersieht man, dass am 2. März 1873 die erste Feuerwehrkapelle gebildet wurde. Ihr gehörten an: Josef Heim, Adrian Seßler, Georg Schütz, Heinrich Klee, Martin Auer, Johann Klee, Georg Schenk und Josef Klee. Letzterer wurde zum l. Kapellmeister ernannt. Nach den aufgestellten Statuten hatte er für die Ausbildung der Musiker Sorge zu tragen und auf pünktlichen Probebesuch zu achten. Weiter waren in den Satzungen die Rechte und Pflichten der Musiker genauestens festgelegt. In den folgenden Jahren hatte diese Kapelle manche Schwierigkeiten zu überwinden. Immer wieder erfolgten Austritte, die aber durch Neuzugänge wieder ausgeglichen werden konnten. Der erste Dirigentenwechsel erfolgte aber erst 1885, Bernhard Schneider führte jetzt den Taktstock. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Kapelle 24 Musiker.
Eines der ältesten Bilder, die Stadtkapelle im Jahr 1890
Im Jahre 1895 musste die Kapelle neu formiert werden, weil sie auf 13 Mann zurückgegangen war. Man ernannte Philipp Rausch zum Kapellmeister, ihm gelang es in kurzer Zeit die Kapelle, die nun wieder 22 Mann stark war, zu festigen; 1897 zählte sie sogar 32 Musiker. Als im Jahre 1895 Hockenheim zur Stadt erhoben wurde, verschönte diese Kapelle unter Leitung von Philipp Rausch den Festtag. Von nun an war ein steter Aufstieg der Kapelle zu verzeichnen. Das geht schon daraus hervor, dass erst 1911 wieder ein Dirigentenwechsel erfolgte. Werkmeister Johann Köhler leitete nun die Kapelle bis zum l. Weltkrieg.
Aufnahme am Wasserturm von 1911
Die Feuerwehrkapelle im Jahre 1912
Beim Auszug der ersten Krieger 1914 spielte diesen die Kapelle am Bahnhof noch stramme Märsche und Abschiedslieder, aber bald war ein regelrechtes musizieren nicht mehr möglich, weil fast alle Musiker Kriegsdienste leisten mussten. Die Musiker Philipp Wetterauer, Michael Lehr und Andreas Hocker kamen nicht mehr zurück, sie ruhen in fremder Erde. Nach dem Kriege musste wieder neu begonnen werden. Hierbei erwarb sich der Musiker Mathias Katzenmeir, der 1923 nach Amerika auswanderte, besondere Verdienste. Ihm ist es zu danken, dass der Volksmusikgedanke bald wieder festen Fuß fasste. Kapellmeister wurde Hans Schneider, der über 25 Jahre die Kapelle mit viel Können und Geschick leitete und zu stolzen Erfolgen führte. Schon 1924 beim Verbandsmusikfest in Karlsruhe erntete er von berufener Seite höchstes Lob.
Die Feuerwehrkapelle unter ihrem Dirigenten Hans Schneider im Jahr 1924
Eng verknüpft mit der Geschichte der Kapelle ist die Vereinsgeschichte des Orchestervereins, der am 13. Dezember 1924 gegründet wurde. Im Gasthaus "Zum Engel" haben musikliebende Menschen diesen Verein zur Unterstützung der Kapelle ins Leben gerufen. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, gute Streich- und Blasmusik zu machen, In den noch vorhandenen ersten Vereinsstatuten heißt es, die Musik zu pflegen, junge Leute, die sich der Musik widmen wollen, zu unterstützen und vor allen Dingen der Kapelle jederlei finanziellen Rückhalt zu geben. Die Stadtverwaltung hatte damals wegen Uneinigkeiten die finanzielle Unterstützung versagt und den Namen "Stadtkapelle" aberkannt. Die Kapelle trug nun wieder den Namen "Feuerwehrkapelle Hockenheim". Zum l. Vorsitzenden wurde Fritz Brüning gewählt, der dieses Amt 15 Jahre ununterbrochen innehatte. Getreue Mitarbeiter, Jakob Fischer (2. Vorsitzender), Wilhelm Schränkler (Schriftführer) und August Brakhan (Kassier) standen ihm zur Seite. Die Interessen der Mitglieder gingen über die Blasmusik hinaus, so dass bald auch ein Streichorchester entstand, in dem sich Mitglieder des Orchestervereins und der Blaskapelle zusammenfanden. Wie aus den Vereinsunterlagen hervorgeht, fand dieses Streichorchester bei der Hockenheimer Bevölkerung viel Anklang und führte bis in die dreißiger Jahre etliche Konzerte durch. In der Generalversammlung vom 18. März 1928 wurde folgender Antrag gestellt: "Wir ersuchen den Gemeinderat um unserer Ernennung zur Stadtkapelle". Am 18. Juli 1928 wurde durch Beschluss des damaligen Gemeinderates die Feuerwehrkapelle zur Stadtkapelle ernannt. In diesem Jahr feierte man in Hockenheim anlässlich des 55-jährigen Bestehens ein großes Musikfest unter Mitwirkung der Feuerwehrkapelle Meckesheim, der Musikkapellen Altrip, Reilingen, St. Leon und den Hockenheimer Sportvereinen. Aus den damaligen Aufzeichnungen sei erwähnt: "Herr Bürgermeister Klein hielt eine dem Fest entsprechende schöne Ansprache und ermahnte die Musiker zum treuen Zusammenhalten und treuer Kameradschaft durch die Worte: Seid einig, dann seid ihr stark und ihr werdet siegen". Hervorzuheben wäre auch die Berufung der Kapelle zum Deutschen Turnfest 1935 in Stuttgart, die durch gutes Spiel und exaktes Auftreten viel Lob erntete. Diesem steten Aufwärtsstreben bereitete der 2. Weltkrieg ein jähes Ende, Wiederum mussten die meisten Musiker ins Feld ziehen. Nach dem Zusammenbruch waren es nur wenige Musiker, die sich zur ersten Besprechung einfanden. Zwölf treue Musiker haben die Kapelle durch die ersten, finsteren und trüben Nachkriegsjahre hinweggerettet. Die Musiker Willi Biedlingmaier, Fritz Hoffmann, Karl Orians, Franz Schmelzinger, Hans Schneider jr. und Fritz Zahn waren gefallen. Hans Schneider war schwer krank, sein Vertreter Josef Walter sprang ein. Er übernahm auch nach dem Tode Hans Schneiders im Jahre 1947 die Kapelle, die bald 40 Mann stark war. Am 12. März 1949 wurde im Gasthaus "Zum Stadtpark" die erste ordentliche Generalversammlung nach dem Kriege abgehalten. Zum l. Vorsitzenden wurde Friedrich Jockel gewählt. Die intensive Zusammenarbeit hat in den folgenden Jahren reiche Früchte getragen. Die Stadtkapelle hatte ihre führende Stellung wiedergewonnen. Herr Josef Walter hat sich durch Ausbildung von vielen Jungmusikern große Verdienste erworben. Ebenso hat sich der Vizedirigent Georg Wacker für die gleiche Arbeit große Verdienste erworben. Im Jahre 1954 wurde Artur Grübel, ein junger talentierter Musiker, zum Kapellmeister gewählt. Auch er führte die Kapelle zu stolzen Erfolgen. Wir nennen nur das hervorragende Abschneiden der Kapelle beim Bundesmusikfest in Verbindung mit Wertungsspielen 1957 in Ettlingen und die Erfolge bei dem holländischen intern. Welt-Musikwettstreit in Kerkrade, 1958 und 1962, dabei hat die Kapelle eine Gold- und zwei Silbermedaillen errungen. Mit der Jubel-Ouvertüre von Joh. Christian Bach errang man die Silbermedaille, die Goldmedaille ging an ein 40 Mann starkes Sinfonieorchester, der Orchester-Gesellschaft Köln-Deutz. Die Bronzemedaille errang ein irisches Orchester. Mit dem "Petersburger Marsch" errang die Stadtkapelle am Nachmittag vor 20000 Zuschauern im Stadion von Kerkrade in der Marschbewertung die Goldmedaille.
Vor 2000 Zuschauern im Stadion von Kerkrade
Ein weiterer prägnanter Punkt in der Vereinsgeschichte ist der Zusammenschluss des Orchestervereins mit der Stadtkapelle, der am 24. Juni 1961 während einer Mitgliederversammlung im Gasthaus "Zur Eintracht" stattfand. Unter dieser Bezeichnung ist der Verein noch heute im Vereinsregister beim Amtsgericht Schwetzingen eingetragen. Der Dirigentenwechsel im Jahre 1963 konnte dem festen Zusammenhalt der Kapelle keinen Abbruch tun. Als neuer Dirigent wurde Erich Gutschmidt, ein ehemaliger Militärmusiker verpflichtet, der mit viel Können und Tatkraft sein Amt angetreten hat. Über Pfingsten 1964 feierte man das 100-jähnge Jubiläum mit dem Bezirksmusikfest "Untere Hardt", an dem sich 16 Gastkapellen aus der näheren und weiteren Umgebung beteiligten. 1968 fand die erste Fahrt nach Commercy, zum Madeleine-Fest, statt. Im Jahre 1969, anlässlich der 1200-Jahrfeier unserer Heimatstadt gestaltete die Stadtkapelle die Feierlichkeiten über das ganze Jahr. Bei einem großen Bezirksmusikfest trafen sich insgesamt 20 Gastkapellen. In dieser Zeit war der Dirigent der Stadtkapelle Erich Gutschmidt auch noch gleichzeitig stellv. Verbandsdirigent und Kapellmeister der Musikvereine Ettlingen und Kronau. Die folgenden Jahre waren geprägt von starker musikalischer Aktivität. Konzerte im Ebertpark Ludwigshafen, am Wasserturm, den Neckarbrücken und im Pflanzenschauhaus in Mannheim wechselten sich ständig ab. Ebenso besuchte man immer wieder befreundete Musikvereine. Weitere Höhepunkte waren das Bundesmusikfest 1971 in Karlsruhe, sowie ein reger Austausch mit der Stadtkapelle Commercy. Mehrere Fahrten, auch mit der Jugendkapelle, hat man bis heute nach Commercy unternommen. 1975 wurde man zur Bundesgartenschau nach Mannheim berufen, 1976 feierte man in Hockenheim "10 Jahre Motodrom" wobei die Stadtkapelle nicht fehlen durfte. Im Jahre 1977 hat die Stadtkapelle ihre jetzigen Uniformen gekauft, die damals schon den stolzen Preis von 16000 DM gekostet haben. 1978 beim Winterball am 5. Januar verabschiedete man MD Erich Gutschmidt, der die Stadtkapelle bis dahin zu sehr vielen Erfolgen geführt hat. Als Nachfolger konnte bereits im Mai 1978 Werner Plum aus Neckarhausen verpflichtet werden. Mit ihm konnte das Orchester seinen musikalischen Aufwärtstrend fortsetzen. Nicht nur einmal im Jahr war Konzert... Neujahrsempfänge, Winterbälle, Hockenheimer Mai, Waldfeste, Besuche bei befreundeten Musikvereinen, Besuch der Bezirksmusikfeste, Verbandsmusikfest mit Wertungsspiel 1982 in Mörsch, Wertungsspiel 1985 in Kronau, Basar's, Vereinsfeste und Jubiläen, Musik für feierliche und traurige Anlässe um nur einiges stichwortartig aufzuzeigen. Das musikalische Repertoire, das er mit der Stadtkapelle erarbeitet hat, war äußerst vielseitig. Vom einfachen Straßenmarsch bis zum festlichen Konzertmarsch - volkstümliche Blasmusik wie Polkas und Walzer - konzertante und klassische Blasmusik aus allen Stilepochen, von der barocken bis zur modernen... originale Blasmusikkompositionen, klassische Musik als Blasmusikbearbeitungen, Programmusik - bearbeitete und für Blasorchester neu komponierte - sakrale Themen, sowie das weite Feld der Rock-, Populär- und Unterhaltungsmusik. Als weiteren Höhepunkt in der Vereinschronik muss man die Verleihung der Pro Musica - Plakette im Oktober 1983 erwähnen. Sie wurde vom Bundespräsidenten für 100-jähriges instrumentales Musizieren durch den damaligen Landrat Albert Neckenauer an den Verein im Rahmen eines Konzertes anlässlich der Hockenheimer Kulturtage verliehen.
Die Stadtkapelle 1983 vor der Pestalozzischule in Hockenheim
Im Jahr 1988 konnte der Orchesterverein Stadtkapelle Hockenheim sein 125 jähriges Jubiläum feiern. Mit einem Festbankett in der Festhalle und einem großen Festzelt verbunden mit dem 9. Bezirksmusikfest feierte der Verein sein langes Bestehen. Unter anderem gab es einen Frühschoppen im Süddeutschen Rundfunk, bei dem die Stadtkapelle live spielte und verschiedene Interviews geführt wurden, ein Gastorchester aus Kerkrade gab eine Galavorstellung im Festzelt und viele Vereine aus Hockenheim und dem Blasmusikverband Karlsruhe gaben ihr Stelldichein in Hockenheim.
Das Orchester im Jubiläumsjahr 1988
Die Jugendkapelle 1988
Nachdem Werner Plum 1991 altersbedingt den Dirigentenstab in Hockenheim niedergelegt hatte, wurde mit Helmut Baumer ein Nachfolger gefunden, der die Richtung Plum's weiterging. In dieser Zeit gab es immer öfter Probleme zwischen jüngeren und älteren Musikern wegen der Musikliteratur, aber auch wurde das allgemeine Drängen der nachfolgenden Generation für Veränderungen immer größer. Baumer verließ auch deshalb schon nach 3 Jahren wieder den Verein und somit wurde der Platz frei für einen Musiker aus den eigenen Reihen, der die musikalische Zukunft des Vereins in eine völlig andere Richtung lenken sollte. Rüdiger Müller fing in den achtziger Jahren auf dem Bariton in der Jugendkapelle an, forcierte aber schon recht bald seine junge Musikerkarriere mit dem Umstieg auf das Fagott. Dem Instrument entsprechend, fand er schnell Interesse für sinfonische Blasmusik, die in der Stadtkapelle zu dieser Zeit fast gar nicht gespielt wurde. Mit seiner Ernennung zum Dirigenten der Stadtkapelle 1995 ging man zwar damals ein gewisses Risiko ein, verlor dementsprechend auch viele der damals älteren Generation an Musikern, konnte aber den musikalischen Weg entscheidend ändern. Sinfonische Blasmusik rückte nun in den Mittelpunkt des Orchesters und prägt das Orchester auch noch heute. Inzwischen begeistert man mit den jährlichen Konzerten in der Stadthalle hunderte von Zuhörern und hat sich mit der Qualität und Art der gespielten Musik auch viele Freunde in der näheren Umgebung gemacht.
Die Stadtkapelle 2002 unter der Leitung von Rüdiger Müller
Angesichts der vorher aufgezeigten Belastungen, die alljährlich auf die Aktiven der Stadtkapelle zukommen, ist es nicht verwunderlich, dass es immer wieder zu personellen Schwierigkeiten in den einzelnen Registern gekommen ist Wenn es Musiker in unseren Reihen gibt, die diese Belastung über Jahrzehnte hinweg auf sich nehmen, so können wir nur mit Hochachtung davon sprechen. Abschließend muss gesagt werden, dass alle Arbeit im Dienste unserer Blasmusik aber zwecklos wäre, stünde nicht Idealismus, Einsatzfreude und Opferbereitschaft jedes einzelnen Musikers - ob jung oder alt - dahinter. An dieser Stelle sei ihnen herzlich für ihre Treue gedankt. Wenn wir weiterhin so in bester Kameradschaft zusammenstehen, werden wir uns der vorangegangenen Generationen würdig erweisen und den nachfolgenden ein nachahmenswertes Beispiel geben.
Quelle: Festbuch zum 125 jährigen Jubiläum aus dem Jahre 1988.